Den Wald mit allen Sinnen erleben
Gestaltungswerkstatt Natur
Erleben Sie den Wald bei Nacht und fassen Sie Ihre Eindrücke in einen Text oder eine andere kreative Ausdrucksform. Sie verbringen mehrere Nachtstunden mit sich allein und der Natur auf einem Hochsitz im Metzinger Wald, um sich dieser Erfahrung mit allen Sinnen auszusetzen. Die Geräusche des Waldes, Wind und Wetter, die Erfahrung des Alleine-Seins im Wald können beobachtet und erfahren werden. Vielleicht zeigen sich die Tiere des Waldes in der Dämmerung.
Die Gestaltungswerkstatt Natur ist ein Angebot der Stadtbücherei in Kooperation mit den Metzinger Jägern Claudia und Albrecht Merz.
Im Wald 2022
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Vogelkonzert begrüßt den neuen Tag.
Als Naturfotograf, mein Hobby seit einigen Jahren, bin ich öfters in der Natur. Eine Aktion der Metzinger Bibliothek um Hr. Koch hat sofort mein Interesse geweckt. Am Morgen, kurz nach 4 Uhr, wurden mehrere Frauen und Männer an besondere Plätze im Metzinger Stadtwald verteilt. Jeder für sich allein, um die Natur fokussiert auf sich wirken zu lassen. Es war stockfinster und totenstill.
Nur eine leise klagende Stimme eines einzelnen Rotkehlchens war in der Ferne zu hören. Alle Sinne waren angespannt. Die Augen versuchten die Finsternis, die mich umgab zu durchdringen. Zunächst vergebens, doch dann waren die ersten Bäume schemenhaft zu erkennen. Schneller als erwarten konnte ich mehr und mehr wahrnehmen.
Mehrere Amseln stimmten mit ihrem melodischen Gesang rasch in den einsamen Vortrag des Rotkehlchens ein. Zunächst sporadisch, dann immer öfter machten auch die Meisen und Finken mit. Was für ein fantastisches Konzert! Keiner der Vögel vorsuchte seine Stimme in den Vordergrund zu stellen, vollkommene Harmonie war oberstes Gebot. Selbst der große Schwarzspecht ließ sich mitreißen. Doch da, was ist das? Urplötzlich standen zwei Rehe im Blickfeld. Leise und in langsamen Bewegungen naschten sie an den schmackhaften Pflanzen, die den Lauf eines Rinnsals markierten. Immer wieder schauten sie unschuldig zu mir auf und drehen ihre Lauscher wie ein Radar, um aus den Vogelstimmen verdächtige Geräusche herauszufiltern. Keine Gefahr. Langsam zogen sie talwärts und wurden durch den Schleier der Nacht verschluckt.
Mein Herz schlug schneller und eine große Erleichterung machte sich breit. Jeder von den Teilnehmern wollte ein Stück Wild beobachten - egal ob Hase, Reh, Dachs oder Fuchs. Auch mit einem flinken Eichhörnchen oder einer Waldmaus wäre mancher zufrieden gewesen. Erstaunlicher Weise hielten sich alle singenden Vögel bedeckt, nur das Fluggeräusch des Schwarzspechts konnte ich deutlich hören, als er über meinen Kopf von rechts nach links den Baumstamm wechselte.
Raum und Zeit waren nun ohne Bedeutung. Die Gedanken zogen nun größere Kreise. Die vielen Stunden, die ich als Kind im Wald verbringenden durfte. Die kleinen und großen Abenteuer, die ich mit meinen Freunden schadlos überstehen mussten, ließen mich innerlich schmunzeln. Die vergangenen Zeiten waren nun wieder quick lebendig. Die Welt war damals noch überschaubar – ein kleiner Ort mit weniger als 100 Selen mitten im Wald. Die Welt endete am nahen Horizont – ein mehr von Baumkronen und -Astspitzen. Die alltäglichen Dinge blieben beim Tanzen der Gedanken außen vor, kein Gedanke an den nächsten Kontrolltermin beim Zahnarzt, keine lästige Steuerabrechnung, und so weiter. Dieses Bad im Wald tat so gut. Mühelos kann man sich von den kleinen und großen Sorgen des Alltags freischwimmen.
Gut eingepackt in moderner Outdoor-Kleidung kann die Kühle der Nacht mir nichts anhaben. Kalte Füße über mehrere Stunden können wahrlich schrecklich sein. Diese leidliche Erfahrung musste ich in der einen oder anderen kalten Winternacht als Naturfotograf machen.
Die aufgehende Sonne und das zarte Läuten der Kirchenglocken kündigen den herannahenden Morgen an. Die Sonnenstrahlen hatten Mühe durch das dichte Blätterdach des Mischwalds zu dringen. Die starken Buchen und Eichen, dicker als so mancher Bierbauch, ragten wie monströse Kirchensäulen
gegen den Himmel und trugen das Laubdach wie einen großen gelbgrünen Baldachin. Vorab, in meiner Fantasie als Hobbyfotograf sah ich schräge Lichtbalken, die auf den Waldboden fallen und das eine oder andere Plätzchen wie Spotlights in Szene setzen. Doch dafür war die Luft viel zu frisch und klar, kein Staub und somit auch keine Lichtbalken.
Mehr und mehr Licht erfüllte den Wald und das Konzert neigte sich dem Ende zu. Buchfinken wollten das nicht wahrhaben und zwitscherten munter fröhlich weiter. Horch, was das nicht der Ruf eines Pirols, tatsächlich! Oh, wie hatte ich diesen unverkennbaren wohlklingen Pfeifsequenz vermisst. Seit dem Herbst hatte ich ihn nicht mehr gehört. Vermutlich versuchte er mehrmals nach einer Zugabe zu rufen.
Mit meiner mitgebrachten Kamera hatte ich versucht die Rehe zum Beweis zu fotografieren, vergebens, es war zu dunkel. Das menschliche Augen ist eben unschlagbar, es kann die schwächsten Grautöne ohne Bildrauschen differenzieren.
Von Menschen oder Technik gemachte Töne oder gar Lärm war bis jetzt nicht zu hören! Zugegeben nicht ganz, bei genauem Hinhören waren die leisen latenten Brummtöne der entfernten Bundesstraße wahrnehmbar. Die meisten Menschen sind schon so sehr daran gewöhnt, dass sie es nicht mehr wahrnehmen oder gar als störend empfinden. Der herannahende Land Rover des Jägers kam leider viel zu früh. Für ein fantastisches Erlebnis war ich zutiefst dankbar und dankte meinen Schöpfer für dieses beeindruckende Geschenk. Auf der Fahrt zum Sammelplatz wurde bereits über das Erlebte euphorische gesprochen und die gemeinsamen, aber auch unterschiedlichen, Erfahrungen ausgetauscht. Zu aller Überraschung, hatte das Jägerehepaar Merz noch Kaffee und Gepäck mitgebracht, so dass die netten Gespräche nicht spontan abrissen – natürlich durfte auch ein wenig Jägerlatein nicht fehlen. Ein besonderer Dank gilt Hr. Koch und allen Mitwirkenden für die Idee und Organisation
Naturerfahrung
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Naturerfahrung Stille Zeit Langsamkeit Nichts tun Erwartungen Was will ich sehen
Was sehe ich Unruhe Rehe, Vögel, die Nacktschnecke , Wasser Spiegelung im Wasser Fantasie
ist da eine Monsterunke Tag kommt, Nacht geht Langsamkeit
bloß nicht rascheln Licht, Sonne, Farben
Grün in allen Schattierungen
dann Orange und Rot
dieses hustende Reh plötzlich Corona ? Futterstelle, Wildkamera
der Salzstein auf dem Pfahl
das hustende Reh leckt das Salz
mein Smartphone, Gerät für
Filme, Tonaufnahmen, Vogelbestimmung Was nehme ich auf? die Sicht nach außen
die Sicht nach innen das Gehäuse der Kanzel,
drei Flachbildschirme
der Waldfilm läuft unerträglich lange
Langeweile die Höhe verändert die Wahrnehmung auf beiden Seiten Überblick Gesang der Vögel Wind Veränderungen der Temperatur Aufmerksamkeit zwischen Müdigkeit und Hochspannung Starren in den Wald Schauen in sich selbst Durchlässig von der Unterbrechung der Nacht
werde ich
Teil des Waldes
draußen
Mai 2022
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Die Waldgänger….
Als ich in der Zeitung die Anzeige über die Veranstaltung im Wald gelesen habe, war klar da muss ich dabei sein und mich anmelden. Morgens 04:30Uhr in den Wald so eine Gelegenheit hat man nicht oft. Ich als Naturliebhaber wollte mir das auf keinen Fall entgehen lassen.
Die Teilnehmerzahl war auf 7 Leute begrenzt da hieß es schnell sein.
Schupps ging eine E-Mail mit meinen Kontaktdaten an Herrn Koch von der Stadtbücherei Metzingen raus.
Dann war der Tag endlich gekommen der 14.Mai 2022.
Um 04:15Uhr fuhr ich auf den Parkplatz Auchtert Friedhof und parkte mein Auto.
Pünktlich zur vereinbarten Zeit um 04:30Uhr waren alle 6 Waldgänger versammelt und waren schon gespannt was uns wohl erwarten wird. Das Jäger Ehepaar Merz teilten uns noch einige Infos mit. Dann wurden wir auf die beiden Autos verteilt, und ab ging es in den Wald.
Ich setzte mich vorne in den grünen Land Rover von Jäger Merz der Motor lief und nun hieß es ab ins Abenteuer.
Wir wurden alle auf unsere Hochsitze verteilt und konnten hier nun jeder für sich ganz allein den Tagesanbruch mitten im Wald erleben.
Mein Hochsitzt war ein offener Hochsitzt das heißt er ist zu den Seiten offen.
Das Dach war noch in Planung- aber da wir ja bestes Wetter hatten war keine Gefahr von oben nass zu werden.
Übrigens die Hochsitze die komplett geschlossen sind meist mit Türe nennt man in der Jägersprach „Kanzel“
Ich stieg die Stufen zum Hochstand hinauf und machte es mir gemütlich.
Gut getarnt komplett in grün schaute ich in den noch düsteren Wald hinein.
Unten plätscherte fröhlich ein kleines Bächlein vor sich hin und die Vögel begannen mit ihrem Morgendlichen Konzert und begrüßten den Tag.
Amsel, Drossel, Fink und Star alle Vögel sind schon da stieg es mir in den Kopf.
Immer die Kamera und das Fernglas im Anschlag, hielt ich Ausschau nach Reh, Fuchs, Hase, Wildschwein und anderen Waldbewohnern. Leider vergebens keiner Zeigte sich.
Dafür hatte ich ein wundervolles Vogelkonzert was von Minute zu Minute immer zahlreicher und lauter wurde. Mit dem Bächlein im Hintergrund war es wie Meditationsmusik die man zahlreich auf YouTube anhören kann.
An diesem Morgen brauchte ich kein YouTube, denn ich sah`s live mitten im Wald
in unsere wundervollen Natur und konnte so meine eigene Meditationsmusik genießen nur für mich. Was will man mehr?
7Uhr ich hörte den grünen Land Rover auf dem Waldweg das war der Zeitpunkt meinen Hochsitz zu räumen. Ich stieg die Stufen herunter und stieg in den Land Rover mit all den Eindrücken die ich in mich aufgenommen habe.
Wir sammelten die restlichen Teilnehmer ein und fuhren Richtung Parkplatz. Auf dem Weg dorthin haben wir noch eine hochträchtige Rehkuh gesehen. Da wird’s wo bald kleine „Bambis „geben.
Noch im Auto tauschten wir 3 Teilnehmer uns über das Erlebte aus und waren gespannt was die drei andren Teilnehmer die mit Jägerin Merz unterwegs waren zu berichten hatten.
Als Überraschung gab es noch lecker Kaffee und Gebäck spendiert vom Jäger Ehepaar. Beim netten Kaffeekränzchen tauschten wir Teilnehmer uns über das erlebte aus. Manche haben Rehe gesehen, Nacktschnecken, zahlreiche Vögel und sogar eine „magische Unke“
So ging für alle ein wundervoller Morgen im Wald zu Ende.
Vielen Dank an das Jäger Ehepaar Merz für die Bereitstellung ihrer Hochsitze und ihres Waldreviers. Vielen Dank an Herrn Koch von der Stadtbücherei Metzingen für die wirklich außergewöhnlich ins Leben gerufene Aktion im Wald. Vielen Dank an alle Beteiligten für diesen wundervollen Tag im Wald.
Für mich persönlich war es Balsam für die Ohren und die Seele. Der Wald ist halt doch die Beste Medizin- man muss sich nur draufeinlassen mit dem Wald und der Natur in Einklang zukommen.
Katrin Oestreich
Nachts auf dem Hochsitz 2023 22:00 bis 24:00
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2 Stunden im Wald - nachts auf dem Hochsitz
Samstagabend - Es ist spät, Zeit für die Tagesthemen, und danach ins Bett. Oh, da war doch noch was –
Ich hab noch einen Platz für das Angebot der Bücherei bekommen: Den Wald mit allen Sinnen erleben! Als ich das in der Zeitung lese, bin ich wie elektrisiert: Zwei Stunden allein auf einem Hochsitz im Metzinger Wald, ungestört mit dem Wald um mich herum, in der Dunkelheit, mit mir und dem Gedankenkarussell – das will ich erleben können! Erste Enttäuschung, als ich am Telefon erfahre, dass die 7 Plätze schon belegt sind, ich mich aber auf eine Warteliste setzen lassen kann. Umso größer dann die überraschte Freude, dass ein Platz frei geworden ist, zwei Tage vor dem ersten Treffen.
Das Angebot hat anscheinend nur Frauen angesprochen, außer mir sind noch 6 Frauen zum Vorbereitungstreff in der Bücherei, dazu das Ehepaar Merz und Ulrich Koch, die sich dieses Angebot der Bücherei ausgedacht haben. Der Zufall, ein im Wege stehender Geländewagen mitten im Wald, eine Idee, die Herrn Koch schon seit Längerem speziell bei seinen fast täglichen Fahrten mit dem Rad von Pfullingen nach Metzingen durch den Wald umtreibt (Hochsitzbücherei…), Albrecht Merz, der gerade einen Hochsitz repariert sowie eine spontane Sympathie zwischen den beiden Männern – so entsteht dieses Angebot der Jagdpächter Merz zusammen mit Herrn Koch.
Und jetzt ist es so weit. Wir treffen uns am Friedhof, es ist heute mäßig kalt, etwas milder als in den vorangegangenen Nächten, da sollten die warmen Sachen ausreichen. Wir fahren mit zwei Autos in den Wald. Ich kenn mich schon gleich nicht mehr aus, rauf und runter, links, rechts, Waldwege, die ich noch nie betreten habe.
Gespannt, wer oder was mich erwartet in diesen zwei Stunden.
Lautes Gebell – Hunde? Zum Glück habe ich erfahren, dass die Rehböcke schrecken, das hört sich tatsächlich an wie lautes Hundegebell.
Stille. Stille? Die nahe gelegene Stadt schläft noch nicht, der Straßenverkehr legt sich wie ein Grundrauschen unter die kaum wahrzunehmenden Laute des abendlichen Waldes.
Flugzeuge, immer wieder. Ich erinnere mich an die Zeiten des Lockdowns, an die wohltuende Stille – schade, dass so eine Stille in unseren Breitengraden wohl nur mit drastischen gesetzlichen Maßnahmen zu erreichen ist. Ich wünsch mir einen Tag Stille in der Woche, oder alle 14 Tage, oder wenigstens alle 4 Wochen, freiwillig, nur dass ich mich daran laben kann und sich das Gefühl für die Dimension der Stille wieder auffrischt.
Dazwischen die Rufe des Waldkauzes, es sind verschiedene Laute – Zuhause lass ich eine Suchmaschine arbeiten, es wird unterschieden zwischen dem Lied und dem Alarmruf des Waldkauzes – aha!
Augen auf oder Augen zu? Die Kanzel erlaubt mit ihren drei Fenstern links, vor mir und rechts nur einen Ausschnitt, wenn ich mehr sehen will, muss ich mich hinausbeugen, das will ich eigentlich nicht, also bleibe ich gerade sitzen, regungslos, spüre in mich hinein, spüre mit meinen Sinnen in das was um mich herum lebt, schläft, wacht, frisst, lauert, warnt, kriecht, krabbelt, fliegt, schreit, schreckt, ruft – die Nacht gehört den Tieren im Wald, ich darf Gast sein.
So ganz allmählich senkt sich ein bisschen Nacht über den Wald, mit seinen Bäumen, seinen Moosen, seinem großen und kleinen Getier, und mit uns, sieben entdeckerfreudigen Frauen und den drei Initiator*innen – der Straßenverkehr wird weniger, nur noch vereinzelt Flugzeuge zu hören.
Allmählich komme ich an – wenn nur der Blasendruck nicht wäre, der sich plötzlich bemerkbar macht. Es bleibt mir nichts anderes übrig: Decke weg, Handschuhe aus, Mantel aus, das Sitzbrett hochgeklappt, die Riegel an der Tür zur Seite geschoben, vorsichtig umdrehen, die Leiter fest fassen, Tritt für Tritt, bis ich unten bin. Da fangen die Rehe wieder an zu schrecken – dabei war ich so leise, aber doch wahrnehmbar für die Tiere des Waldes. Als ich wieder oben bin, hört auch das Bellen auf, sie haben wohl gemerkt, dass ich ihnen nichts tue.
Die Zeit verfliegt, ich will nicht auf die Uhr gucken, hab eine ungefähre Vorstellung, wieviel Zeit vergangen ist, bin trotzdem überrascht, als ich Motorengeräusche höre, ein Licht sehe, ich werde abgeholt. Packe zusammen, bedauernd, dass jetzt, wo die Nacht eigentlich erst beginnt, dieses besondere Erlebnis, allein auf dem Hochsitz im Metzinger Wald, schon vorbei ist. Ich merke, dass ich kein Bedürfnis habe schon zu reden, mich mitzuteilen. Ich genieße dankbar das heiße Getränk, höre zu, will aber eigentlich auch erstmal nichts hören, will das Erlebte noch bei mir behalten, es noch nicht in den Kopf holen, ihm Begriffe, Wörter, Sätze zuordnen.
Wenn mich meine Singstimme nicht seit Längerem verlassen hätte, hätte ich gern noch ein Abendlied angestimmt – die Melodie klingt in mir, vom Text nur ein Bruchteil,
Abend wird es wieder über Wald und Feld…
(Säuselt Friede nieder und es ruht die Welt.)
So nehme ich dankbar Abschied, die Musik
klingt in mir weiter, mischt sich ins Dunkel
der Nacht.
DANKE!
Stille 2023 22:00 bis 24:00
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Stille
Die Stille des nächtlichen Waldes umgibt mich. Nach einer Weile bemerke ich, es ist eine scheinbare Stille. Den Verkehr höre ich sanft im Hintergrund. Ich bemerke, es ist eine scheinbare Dunkelheit. Die Lichter der Stadt scheinen durch das Geäst. Der Uhu ruft und andere Vögel melden sich hin und wieder. Die Zeit zieht sich und lässt Raum für mein Ankommen im nächtlichen Wald. Plötzlich rauschen laut die trockenen Laubblätter. Der Boden bebt. Eine große Unruhe breitet sich aus. Ich erkenne nichts. Das Grunzen verrät die lebhaften Besucher. Unsere Begegnung dauerte nur wenige Minuten und war dafür umso eindrucksvoller für mich. Den Wildschweinen war unsere Begegnung völlig gleichgültig. Das freut mich. In ihrem Zuhause im nächtlichen Wald war ich nur kurz zu Gast.
Jasmina Pavlovic
Nachts im Wald 2023 22:00 bis 24:00
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Nachts Im Wald
Ich sitze nachts allein im Wald,
es ist dunkel, still und kalt.
Der Bach sendet ein stetes Rauschen,
meine Ohren sind gespitzt und lauschen:
Vögel, Flugzeuge, Hundegebell,
und einige Tiere mit Fell.
Was mache ich hier zwischen den Bäumen?
Ich schließe die Augen und fange an zu träumen.
Ein magischer Engel fliegt mir entgegen,
und ich bade in einem hellen Sternen-Regen.
Verwandele mich in ein Fabelwesen,
breite meine Flügel aus und fliege über Wiesen.
Plötzlich öffne ich die Augen und sehe den Kontrast:
schwarze Schatten huschen von Ast zu Ast.
Lange kann ich die Angst und das Zittern nicht ertragen!
Doch Rettung kommt: der Jäger mit seinem Geländewagen.
(Öznur Yildirim-Gunes)
Bild Nachts im Wald
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Nochmal zwei Stunden abends im Wald – Vollmond
Wer oder was wird mich diesmal erwarten, nachts im Wald? Werde ich die Geräusche der Zivilisation rausfiltern können und nur den Wald an sich erspüren? Ich und der Wald – der Wald und ich – der Wald – ich – wer ist der Wald? Wer ist ich? Alles unter einem Himmel, unendlich weit, nicht bis ins letzte ergründbar, mit wie vielen Teleskopen, Satelliten, Raumstationen wir Menschen auch dem Kosmos auf die Spur zu kommen versuchen - seit Jahrtausenden von Jahren! Sind wir heute, im 21. Jahrhundert n.C., wirklich viel weiter als zu Beginn der Menschheit auf dem Planeten Erde? Wo wir gerade dabei sind, diesen wunderbaren blauen Planeten mit allem was darauf lebt zu zerstören, wenn wir so achtlos weiterleben wie bisher – nach uns die Sintflut? Zu Lande, zu Wasser, auf dem Lande, in der Stadt, im Wald… wobei ich wieder im Wald bin, auf dem Hochsitz im Metzinger Äußeren Wald, Gast von Albrecht und Claudia, und ich werde ruhig, dankbar für diese zwei geschenkten Stunden, in denen meine zivilisationskritischen Gedankenfetzen Pause haben dürfen, in denen ich alle meine Sinne weiten darf, hinhorchen, -sehen, -spüren, -riechen, was mir dieses kleine Stück Wald anbietet.
Die Sicht ist besser als beim ersten Mal – nein, nicht schon wieder vergleichen.
Ich kann etwas sehen, schemenhaft erkennen. Es ist Vollmond, er steht fast genau über mir – um ihn sehen zu können, beuge ich mich nach vorn, die Sicht ist nach drei Seiten offen, nur begrenzt durchs Dach und die Pfosten, die das Dach tragen, viel Sicht, auch viel kalte Luft, die an meinem Gesicht vorbeiströmt – es windet. Wenn ich mich anlehne, kann ich es ahnen, ob der Mond gerade durch vorbeiziehende Wolken verdeckt ist oder tatsächlich ungehindert sein kaltsilbernes Licht vergießt. Und natürlich sehe ich den Mond nicht voll, ich sehe ihn durch die Bäume, die Verästelungen in der Spitze, ein filigranes Muster – ich erwäge ob ich diesmal vielleicht doch was male oder besser zeichne, gerade diesen Ausschnitt – Mond hinter zarten Zweigen, scherenschnittartig.
Ich lehne mich wieder zurück, versuch das Denken zu lassen, mich auf den Atem zu konzentrieren, auf den Augenblick zu achten – Achtsamkeit.
Regnet es? Kann eigentlich nicht sein! Aber ein neues Geräusch dringt an mein Ohr, es kommt von rechts, hört sich erst wie beginnender Regen an, aber dann kann ich es ausmachen, auch etwas sehen, was sich in vielleicht 20 – 30 Metern Entfernung bewegt – zwei dunkle Schatten, die anscheinend Geräusche machen, rascheln, schlurfen, schmatzen! Schmatzen? Wirklich? Haben es zwei Wildschweine geschafft, mir aus der Ferne einen Besuch abzustatten? Ich bin fasziniert von diesem für die Wildschweine existenziellen, allnächtlichen Ritual – Futter suchen, Futter finden, fressen. Und es ist ihnen sicher egal, ob ich ihnen lausche oder nicht, solange ich sie nicht vertreibe. Ist das die Entfernung, die die Jäger (und Jägerinnen, die allmählich dazu kommen, wenn ich das richtig erinnere) haben, wenn sie Wild erlegen wollen? Ich verhalte mich mucksmäuschenstill, auch wenn es mich ein klein bisschen reizen würde, einfach mal laut buh! zu rufen! Nein, ihr zwei Schwarzkittel, heute könnt ihr futtern, soviel ihr lustig seid, im Wald richtet ihr vermutlich auch keinen Schaden an wie auf Maisfeldern außerhalb des Waldes. Heute, diese zwei Stunden, dürft ihr einfach sein, so wie ich auf meinem Hochsitz sein darf…
Ich bin dankbar und fasziniert, dass ich diesmal noch anderes wahrnehmen kann als Flugzeuge und motorisierte Fahrzeuge - schon wieder Vergleich, dabei durfte ich beim ersten Mal doch bellende Rehe und verschieden rufende Waldkäuze hören! Wie lang tun sich die zwei Schweine gütlich? Ich hab nicht auf die Uhr geschaut, nach einer Weile trollen sie sich, gemächlich entfernen sie sich wieder, leider nicht näher am Hochsitz vorbei. Danach Stille, auch in meinem Kopf, dem rastlosen, wie lange wohl?
Als Claudia mich abholt, bin ich mir meiner Befindlichkeit nicht sicher – es war kalt im Gesicht, aber gefroren hab ich nicht. Hätte ich noch bleiben wollen? Was hätte noch kommen sollen, kommen können, was für einzigartige Erlebnisse, innen wie außen, hätten mich bewegen können? Bin ich zu abgeklärt, zu nüchtern, kann mich nichts mehr erschüttern?
Ich freu mich diesmal auf den Abschluss auf dem Friedhofsparkplatz, auf die Gruppe, auf den Austausch, über das warme Getränk und das Gebäck, das Claudia wieder liebevoll vorbereitet hat.
Und wenn ich kann, würde ich wieder dabei sein wollen, wer weiß…
CGH 25.04.2023
Nachtansitz / Sophia Häring
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Nachtansitz Ich höre in den Wald hinein. Es verstreichen ein paar Minuten, bis ich in der Stille angekommen bin. Als erstes höre ich den Ruf eines Käuzchens. Wirklich still ist es hier nicht. Zu Beginn schien es so, aber von Minute zu Minute nehme ich mehr und mehr die mich umgebenden Geräusche war. Der Wind ist mit einem Mal sehr laut, als er mir eisig um die Ohren pfeift. Still ist es hier nicht. Ein Tier geht vorbei. Es raschelt im Laub. Ein richtig geschäftiges Treiben geht hier vor sich. Während ich hier sitze, eröffnet sich mir ein kleines Stück einer ganz besonderen Welt. Jedes Tier, das sich hier bewegt, hat ein konkretes Ziel: (Über-)Leben. Stillstand gibt es hier nicht. Und das nur vom Zuhören, denn die meiste Zeit halte ich bewusst meine Augen geschlossen. Von Sophia Häring